Ich arbeite einfach gerne als Pastorin

Ich arbeite einfach gerne als Pastorin

Pastorin Anne Jaborg geht in den Ruhestand

Herzlich willkommen am 2. Advent um 14 Uhr in der Dreifaltigkeitskirche zum Gottesdienst, in dem Bischof Adomeit mich nach 36 Jahren im Dienst der Ev.-luth. Kirche in Oldenburg entpflichten wird. Ich gehe in den Ruhestand.

Die kleine Kirchengemeinde Neuenhuntorf mit damals 426 Mitgliedern und die Gefängnisseelsorge in der Untersuchungshaft Männer, Gerichtsstraße – das war mein Start. Die Gefängnisseelsorge-Stelle war erst neu eingerichtet worden. Ich war die erste hauptamtlich bestellte Pastorin dort. Das war schon herausfordernd, in diesem geschlossenen System meinen Auftrag zu erfüllen, das Evangelium zu verkündigen. Nichts verstand sich von selbst. Vorsichtiges Herantasten der Inhaftierten. Was ist eine Pastorin? Wozu kann ich die gebrauchen? Hält die wirklich dicht?

Und auf dem Land ging es gleich mit Schwung los: Gemeinsam mit dem Kirchenrechnungsführer Heino Vette und dem Neuenhuntorfer Gemeindekirchenrat richteten wir den 500. Geburtstag der St.-Marien-Kirche aus. Wir sammelten Fotos für eine tolle Ausstellung, so dass ich im ersten halben Jahr schon einmal in jedem Haus gewesen war. Schätze gab es zu bestaunen. Die Tonfigur „Beterlein“, die 1956 im Köterender Acker gefunden wurde und Zeuge erster Siedlungen ist, durften wir aus dem Naturkundemuseum ausleihen.

Zwei halbe Stellen und jeweils alleine arbeiten – mir wurde klar, dass ich gern Kolleginnen und Kollegen vor Ort hätte. Mit meiner Bewerbungsfähigkeit wechselte ich nach Zwischenahn an die St.-Johannes-Kirche. Da konnte ich im Team arbeiten. Mit allen Konfis rund ums Meer fuhren wir zur Freizeit nach Dümmerlohhausen. Im Feldhus trafen wir uns mit dem Frauenkreis. Im Kirchturmzimmer mit dem Besuchsdienstkreis. Mit den Kindern feierten wir freitags „FKK“, FröhlicheKinderKirche. Schon damals entwickelte die oldenburgische Kirche für die Verwaltungsreform immer neue grüne, blaue gelbe Konzeptpapiere. Zeitfresser! Große Adventsbasare organisierten wir für „Brot für die Welt“. Mit der Küsterin und ihrer Familie begeisterten wir die ganze Gemeinde rund ums Meer zu helfen, eine Molkerei in Espirito Santo/Brasilien aufzubauen. Wir feierten ammerländisch-brasilianische Feste mit Churrasco und Caiprinha. Ich durfte meinen ersten Vikar ausbilden, später eine Vikarin. Auch die St.-Johannes-Kirche hatte Geburtstag, ihren 875. Mit einem mittelalterlichen Markt und sehr kreativen Gottesdiensten würdigten wird das Gründungsdatum und hatten wunderbar gemeinschaftsstiftendes Vergnügen. Und wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Ich wollte noch mal „was anderes“.

Nach einer kleinen Auszeit aus eigenem Portemonnaie wechselte ich in die Gefängnisseelsorge in der JVA für Jungtäter in Vechta. Dafür habe ich gerne die ausführliche Fortbildung für Seelsorge in Justizvollzugsanstalten absolviert. Die war mir auch supervisorisch eine große Hilfe in der beinharten Anfangszeit. Wie meistens lagen die Hürden nicht bei den Schäfchen, sondern „im eigenen Stall“. Biblisches Leitwort für meine Arbeit mit den Inhaftierten wurde mir aus Psalm 31: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“. Die riesig große Gefängniskirche gibt eine Ahnung davon.

Ich hörte es läuten, dass die Pfarrstelle an der Dreifaltigkeitskirche in Osternburg frei würde. Da fuhr ich erst mal zu Pastorin Kerstin und Pastor Hansjörg Hochartz nach Lohne und ließ mir berichten, wie das in Osternburg denn so ist. Während meiner Bewerbung erfuhr ich, dass wer gewählt würde, in Kreyenbrück wohnen sollte. Ich wollte aber Pastorin an der Dreifaltigkeitskirche sein und für mich gehörte damals dazu, auch in der Nähe zu wohnen. Pastor Andreas Spelmeyer bat mich sehr, meine Bewerbung nicht zurückzuziehen. Das Dienstwohnen der Pastorin in Osternburg sollte für mich persönlich ein roter, manchmal enttäuschender Faden in all den Jahren bleiben. Und es war jeweils ein gutes Wohnen im Lustgarten 7a, in der Ekkardstraße, sehr bewegt ein ganzes Jahr aus dem Auto heraus und schließlich in der schönen Wohnung überm Kirchenbüro. Ja, die Gebäude! Aus dem Jochen-Klepper-Haus mit seinem 40-jährigen Sanierungsstau machten die vielen ehrenamtlich Engagierten das Beste. Die Hausfrau Ute Paunovic und der Hausmeister Niko Oldenburger putzten, schraubten, flickten. Hier war echt Leben im Haus und draußen im Garten! Und immer hieß es: Wir bauen bald neu. So konnten wir während der sommerlichen Kinderkirchentage „mit Mose in Ägypten“ tüchtig drauflos malen, kleben, basteln. Kommt ja nicht mehr drauf an. Doch es wurde wieder nicht neu gebaut. Die arme Frau Paunovic musste wieder alles nachwischen. Zum dritten Mal durfte ich Geburtstag feiern. „400 Jahre Dreifaltigkeitskirche – wo Gott und Osternburg sich treffen.“ Der Festausschuss, Insa Meier mit der Kirchenmusik, Haupt- und Ehrenamtliche, auch unsere jungen Freunde, die aus dem Iran zu uns gekommen waren, haben mit Überstunden und viel Freude ein tolles Festprogramm organisiert. Christine Krahl hatte einen neuen Kirchenführer erstellt. Unter der Anleitung eines Theaterpädagogen führten Osternburger und Osternburgerinnen ein selbsterarbeitetes Theaterstück auf, mit grandiosem Erfolg. Unsere Kirchennachbarin Gertrud Borries feierte mit.

Als während der Corona-Zeit Gottesdienste nicht stattfanden, kommentierte die fast Hundertjährige: „Das habe ich ja in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt.“ Gott und unserem Bauausschuss sei Dank - just zu Beginn der Coronazeit haben wir eigenmächtig den Bagger bestellt. Vorher wurde mit Hilfe von fleißigen Menschenketten das Gemeindehaus leergeräumt. Welche Pastorin darf sowas schon erleben?! Und nun steht er da, der Neubau, der unter geduldiger Anleitung von Frerk Klaaßen in Zusammenarbeit mit Pastor Holger Rauer, Eike Schnitker und dem Bauausschuss gebaut wurde. Das war ein berührender Moment, als ich noch während der Corona-Zeit spät zur Kantoreiprobe in den Rohbau kam. Durch die Fensterlöcher klang „Gloria in Excelsis Deo“ zur Bremer Straße raus! Insa Meier mit betonstaubigen Schuhen am Klavier. Was für eine Freude an Himmelfahrt 2022, das Haus endlich zu eröffnen! Ein Haus, in dem Gott und Osternburg und Menschen in all ihrer Vielfalt von nah und fern und alle Generationen sich treffen. Beständig lernen wir dazu, wie wir das Haus gut managen. Donnerstagsnachmittags nehmen Pastor Thomas Cziepluch und ich mitsamt dem KU-Team und der großen Gruppe von Konfirmandinnen und Konfirmanden das ganze Haus in Beschlag. Eigentlich hatte ich mir geschworen, wenn ich 55 Jahre alt bin, will ich keinen Konfirmandenunterricht mehr geben. Dann änderten wir in der Gemeinde die Unterrichtsmodelle und ich musste nicht mehr alleine verantwortlich sein. Gemeinsam macht’s eben doch allen Seiten viel mehr Spaß. Die Gottesdienste wie auch die Wochenschlussandachten – getragen von wunderbarer Kirchenmusik in der schönsten Kirche Oldenburgs - erfüllen mich sehr. Bei Beerdigungen schenkt allein schon der Raum so viel Trost. Bei Trauungen ist es genau der richtige festliche Raum. Bei Taufen am „güldenen“ Taufbecken vermittelt er die Freude, ein Kind Gottes zu sein. Das spüren selbst die kleinen Gestalten im Gottesdient für die Jüngsten. Das ist prima in der Kirchengemeinde Osternburg: Zusammen mit dem engagierten Gemeindekirchenrat und mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Pfarramt – über die letzten 16 Jahre in unterschiedlichen Zusammensetzungen – konnten wir Wunderbares gegen den Trend und trotz manchen Frusts auf die Beine stellen. Zwischendurch weine ich viele Abschiedstränen. Ich arbeite einfach gerne als Pastorin. Und es ist alles gut und richtig so. Ich bin dankbar, wenn ich im November 66 Jahre alt werde und dann der Ruhestand angesagt ist. Gerne erinnere ich mich an das Fest meiner Silbernen Ordination im Strückhauser Kirchdorf. Die gesamte Kantorei und eine ganze Busladung aus Osternburg unter Begleitung von Rolf Hauerken kamen in die Wesermarsch gepilgert. Bei sonnigem Oktoberwetter feierten wir: „Dies ist der Tag, den der Herr macht, lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein. O Herr hilf! O Herr lass wohl gelingen!“ So soll es bleiben. Tag für Tag. Wir bleiben in Verbindung. Ich bin ja noch „oldscool“. Ich freue mich über echte Postkartengrüße an Anne Jaborg, Strückhauser Straße 109, 26939 Ovelgönne.

Anne Jaborg

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